P
r e s s e m i t t e i l u n
g 18.09.05
Unter
Beteiligung von ca. 300 Personen fand,
vom15.
–17. Sept. im Berliner Rathaus Schöneberg die Tagung „Ökonomie ohne
Menschen? Zur Verteidigung der Kultur des Sozialen“ statt.
Als Gastgeberin sprach
Gesundheitsstadträtin Dr. Elisabeth Ziemer ihre Freude darüber aus,
gerade diesem Thema Raum, geben zu können. Die Schirmherrin Prof. Dr.
Herta Däubler-Gmelin fiel leider wahlkampfbedingt aus.
Vornehmlich
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Sozial- und Gesundheitsberufen,
aber auch andere interessierte Bürgerinnen und Bürger nahmen teil.
„Noch nie habe ich erlebt, dass eine so große
Gruppe von Mitarbeiterinnen wie gebannt einem Wirtschaftswissenschaftler
zugehört hat.“ So einer der Teilnehmer nach dem Vortrag von Prof. Dr.
Friedhelm Hengsbach. „Durch die Vorträge und Diskussionen fange ich langsam
an zu begreifen, in welcher Situation wir uns in der sozialen Arbeit
befinden, und welche wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen hinter
den Veränderungen der Sozialgesetzgebung stehen“ so ein anderer Teilnehmer
zu den Vorträgen unter dem Schwerpunkt „Diktat des Marktes? – Mythen,
Auswirkungen, Alternativen.“
Veranstalter waren die
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V. (DGSP) und die Soltauer
Initiative für Sozialpolitik und Ethik. Bei der DGSP handelt es sich um den
größten berufsgruppenübergreifenden und unabhängige Fachverband
sozialpsychiatrisch tätiger Menschen in der BRD. Die Soltauer Initiative ist
eine seit 2004 bestehende überregionale freie Initiative. Die Tagung wurde
finanziell unterstützt von Aktion Mensch. Sie knüpfte an die
Veröffentlichung der sogenannten Soltauer Impulse an, die weit über die
Fachöffentlichkeit hinaus Beachtung gefunden hatten.
(www.psychiatrie.de/DGSP/Soltauer
Initiative)
Im Rahmen des
Tagungsschwerpunktes „Zwischenmenschlichkeit auf dem Prüfstand“ analysierte
Dr. Stephan Debus, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medizinischen
Hochschule Hannover, wie das Zwischenmenschliche über neue Sprachspiele aus
unseren Köpfen verdrängt wird. „Nur , indem wir die ökonomisierende
Sprache nicht sprechen, können wir uns in die Lage versetzen, unsere
Handlungsspielräume zu finden.“
Die Atmosphäre der
Tagung wurde eindrücklich durch das Hannoveraner Theater Quintessenz
bereichert, einem interaktiven Theater, dem es gelang, die authentischen
Geschichten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer spontan auf die Bühne zu
bringen.
Mitarbeiter des
Gesundheitswesens stehen in einem Spannungsfeld zwischen „Mainstream“ und
„besserem Wissen“. Dies kam deutlich in den angeregten Plenumsdiskussionen
und in den regionalen Diskussionsgruppen zum Ausdruck. Dass die Kultur des
Sozialen in ökonomisch bedrängten Zeiten besonders auch von
Leitungspersönlichkeiten abhängt, machte Frau Prof. Dr. Christine
Morgenroth mit ihrem Beitrag „Leitungshandeln zwischen
Qualitätsmanagement und Burnout“ deutlich.
Bei der Tagung ging es
sowohl um theoretische Durchdringung als auch um die Suche nach
Handlungsmöglichkeiten. Eine Handlungsmöglichkeit wurde in der lebhaften
Podiumsdiskussion, bei der Betroffene diskutierten, besonders deutlich,
nämlich die Vernetzung über fachliche Grenzen hinaus. „Ein solches Forum,
bei dem sich in unterschiedlicher weise betroffene Menschen verbünden“, so
Prof. Dr. Klaus Dörner anerkennend bei der abschließenden
Expertenrunde „habe ich noch nie erlebt.“
Zu einem Höhepunkt wurde
der Vortrag von Prof. Dr. Oskar Negt, der den Verlauf der Tagung über
drei Tage hinweg beobachtet hatte, und dem es gelang alle wichtigen Aspekte
zu bündeln und nochmals gedanklich zu vertiefen. Die Verbindung von Theorie
und Praxis dürfe man sich nicht zu leicht machen, so seine Mahnung. Es gäbe
keine unmittelbare Überführung von der Theorie zur Praxis. In jedem Fall
seien Theorie und Analyse jedoch wichtig zur Orientierung. Auch wenn die
Analyse zu Pessimismus Anlass gäbe, da derzeit Auswege schwieriger zu finden
seien und die Verhältnisse „hinterhältiger“ seien „muss ich konstitutionell
Optimist sein und mit ganzer Seele Auswege suchen.“ „Der nur
leistungsbewusste Mitläufer sei eine tödliche Figur für die Demokratie“, so
sein Schlusssatz.
Die Tagungsteilnehmer
gehörten offensichtlich nicht zu dieser Spezies, denn sie applaudierten
Oskar Negt begeistert und griffen die Anregung der Tagungsinitiatoren
auf, Adressen auszutauschen, um sich regional wieder zu treffen und sowohl
praktisch als auch theoretisch an den anstehenden Fragen weiter zu arbeiten
und nach lokalen Bündnispartnern, z. B. die Sozialforen, zu suchen.
Die Tagungsbeiträge
sind fast vollständig dokumentiert in Heft 4/05 der Sozialpsychiatrischen
Informationen. Das Heft kann zum Preis von 8 Euro beim
Psychiatrieverlag, Thomas-Mann Str. 49 a oder über
www.verlag@psychiatrie.de bestellt werden.
Neben
Aktion Mensch wurde die Tagung von folgenden Institutionen, Vereinen,
Gruppen und Gesellschaften unterstützt: